SZ_02_2024

Seite 5 Städtli-Zytig 02/2024 « Also eine ‹Viertel-nach-acht-Stimme› hast Du auf jeden Fall nicht.» D ie ältere Dame, welche mich nach meiner Rede anspricht, meint dies als Kompliment. «Wieso Viertel nach acht?», frage ich indes nach. «Ja, das sagte man zu meiner Zeit so», meint sie. «Viertel nach acht steht für 08.15!» I ch lache laut auf. Ich kann nicht anders, als ich den ungewollten Scherz verstehe, und korrigiere die Dame. «Viertel nach acht steht zwar auch für 08/15, hat aber mit der Bedeu- tung von ‹Durchschnittlich› nichts zu tun.» «Mein lieber Glöckner, Du befindest Dich auf dem Holzweg: Die 08.15 steht dafür, dass ein Produkt schlecht gezimmert ist, da man um diese Uhrzeit noch nicht sehr produktiv ist und man sich daher besser mit einem Kaffee be- gnügen sollte. Wenn ich sage, Du hast keine 08.15-h-Stimme, so meine ich, Deine Stimm- lage ist von besserer Qualität, als wäre sie zu dieser unproduktiven Morgenstunde entstan- den. Das war ein Kompliment!» I ch bedanke mich für das Kompliment, kann dennoch nicht umhin, mich zu erklären. «Vie- len Dank für die Höflichkeit, dennoch kann ich diesen Umstand nicht so im Raume stehen las- sen. Nein, die 08/15 steht weder für eine Uhr- zeit noch für mindere Beschaffenheit. Der Ur- sprung dieses Wortes stammt von…» I n diesem Augenblick stösst ein älterer Herr hinzu, der vielleicht drei bis vier Jahre jün- ger zu sein scheint als die Dame des morgen- stündlichen Kaffees. Er unterbricht mich. Be- lehrend. «… stammt von dem Datum 08-15. Also dem 15. August! Dann ist nämlich Mariä Himmelfahrt. Da an diesem Feiertag nicht ge- arbeitet wird, werden logischerweise auch keine Güter hergestellt, was einen Mangel darstellt. Da hat unser lieber Herr Glöckner vollkommen recht», wobei er mir anerkennend auf die Schulter klopft. U nser lieber Herr Glöckner? So was habe ich ja noch nie gehört. Spontan frage ich mich, ob ich mich mehr ob des Titels ärgern soll oder der falschen Vermutung, welche mir da dreist in den Mund gelegt wird. Ich kann mich nicht entscheiden und ärgere mich über beides. Der liebe Herr Glöckner scheint im Al- ter Multitasking-fähig zu werden. W ie auch immer, ich korrigiere den neu- en Gesprächspartner. Kopfschüttelnd. «… nein, mein lieber Herr … äh.» Ich kenne seinen Namen nicht und er macht mir nicht die Freude, ihn zu nennen. «… mein lieber Herr, die 08-15 ist weder eine Uhrzeit noch ein Datum. Das sollte ich wohl am besten wissen, da mein Bruder an jenem Tage zur Welt kam!» N un unterbricht mich die ältere Dame. «Ah, ja? Du hast einen Bruder? Lass mich raten, er kam um 08.15 h zur Welt?» W arum versuchen immer alle witzig zu sein, wenn ich mich über ein Thema er- eifere? Kurz irritiert fahre ich fort. «Nein, um 13.42 h. Egal. Die Redewendung ‹nullachtfünf- zehn› steht für etwas, das ganz gewöhnlich und belanglos ist und daher auch keiner be- sonderen Beachtung bedarf. ‹0-8-15› war die Typenbezeichnung eines Maschinengewehrs, das im 1. Weltkrieg zum Einsatz kam. Zum ei- nen kann der Begriff abgeleitet werden, weil alle die gleiche Waffe bekamen, was sie zu einem Durchschnittsgegenstand degradierte. Zum anderen mussten damit zu Übungszwe- cken immerzu die gleichen Abläufe wiederholt werden, was mit der Zeit eintönig wurde. So- mit kann der Zahlenbegriff zwar pejorativ, also abwertend, verwendet werden, genauso, wie er auch wertefrei benutzt wird.» D ie Dame klopft mir kopfschüttelnd auf die Schulter. «Nein, mein junger Freund, Deine Stimme ist weder abwertend noch wertefrei. Mir gefällt sie äusserst gut. Ich bin überzeugt, morgens, um Viertel nach acht, und obendrein ohne vorgängigen Kaffeegenuss wird sie nicht so wohlklingend sein!» N och immer ärgere ich mich. Nicht über die nette Empfehlung an meine Stimmla- ge, sondern über das Nicht-verstehen-Wollen meines Vortrages. «Nein, ja, vielen Dank, aber ich will doch nur sagen, dass die 08/15 nicht mit der vormittäglichen Uhrzeit im Zusammen- hang steht!» M ütterlich, leicht herablassend, schüttelt sie ihr Haupt. «Nun, abends um Viertel nach acht braucht es bestimmt keinen Kaffee mehr. Also ich könnte, wenn ich so spät noch Kaffee konsumieren würde, kein Auge mehr zutun!» B eide schauen mich ungläubig, fast fragend an. «Du verstehst nicht», beginne ich und korrigiere mich alsbald, den netten Gentle- man ebenfalls ansprechend. «Sie verstehen mich nicht, es geht doch gar nicht um Zeiten, sondern um die Abwertung des Durchschnitt- lichen!» D ie ältere Dame senkt den Blick. Sie ist sichtlich enttäuscht, da ihr Kompliment nicht den erwünschten Weg zu mir gefunden hat. Der Herr fasst die Lady galant um die Hüfte und führt sie weg von mir. Ich kann nur schwach seine Stimme hören, wie er sie mit positiven Gefühlen verstärkt. «Komm, meine Liebe, und sei Dir bewusst, des Glöckners Bru- der wird wohl kaum eine angenehmere Stim- me haben. Nicht mit diesem Geburtstag.» 08/15 Der Glöckner vom Spittelturm

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