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St%u00e4dtli-Zytig 05/2025 Seite 15Schreberg%u00e4rten sind sympathische Refugien der Freizeit %u2013 teils mit unsicherer Zukunft Ein wenig sind wir doch alle jenen gl%u00fccklichen Leuten neidisch, die eine Schrebergartenparzelle nutzen d%u00fcrfen. Wir schielen auf die ger%u00e4umigen Gartenh%u00e4uschen dort im Gr%u00fcnen mit der Grillstelle und der Fahnenstange, deren Tuch die Herkunft der Gl%u00fccklichen verr%u00e4t. In Wohlen sind es zwei Areale: Wilstrasse und Turmstrasse. Sie k%u00f6nnten unterschiedlicher nicht sein.Das gr%u00f6ssere Schrebergartenareal muss man suchen, ganz zuhinterst in der Wilstrasse, unmittelbar angrenzend ans Winterquartier des Circus Monti und der Tennispl%u00e4tze %u2013 die Zufahrt durch eine Barriere getrennt. Die in ihren G%u00e4rten werkelnden Schreberg%u00e4rtner kennen die Verantwortlichen nur mit Vornamen, k%u00f6nnen immerhin sagen, wo deren Parzelle liegt. Beispiel: %u00abS%u00fcdlich ganz oben bei den Containern, das Feld mit den vielen Blumen.%u00bb Jenen, der dort haust, nennen sie ehrenvoll %u00abPresidente%u00bb, den 79-j%u00e4hrigen Pr%u00e4sidenten und Kassier Felix Fust, letztes Gr%u00fcndungsmitglied des %u00abFamiliengarten-Vereins im Wil 1990%u00bb. Der ger%u00e4umige Schrebergarten im Wil widerspiegelt beispielhaft die vorbildliche Integration der Wohler Italianit%u00e0. Die Generalversammlungen finden immer im Acli Wohlen statt.Seit dem Zweiten WeltkriegDie Ausseng%u00e4rten am hinteren Ende der Wilstrasse bestehen seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Gel%u00e4nde geh%u00f6rt den Ortsb%u00fcrgern und misst %u00fcber 200 Aren, die Parkpl%u00e4tze inklusive. Es sind 116 Parzellen. Die j%u00e4hrliche Miete pro Are kostet 50 Franken, inbegriffen ist das n%u00f6tige Wasser. Ein Drittel der eigenen Parzelle darf nach Vorgabe der Gemeinde %u00fcberbaut werden. Den gew%u00e4hlten Baustil kann man mit %u00abimprovisiert sympathisch%u00bb beschreiben. Pergola, Grill und Esstisch sind selbstverst%u00e4ndlich. Sogar ein Rasenst%u00fcck ist m%u00f6glich. %u00abDoch es soll ein Garten sein%u00bb, sagt Felix Fust. Zimperlich sei man nicht. Tiere sind nicht erlaubt, kein Biotop, keine Aussendusche, ab dem Schlauch d%u00fcrfte man nicht tr%u00e4nken %u2013 das missachtet inzwischen bald jeder %u2013, immerhin: ein Kinderb%u00e4dli wird geduldet. So haben auch die Enkel etwas vom Freizeitparadies im Kleinen. Dass auf diesem sch%u00f6nen Fleck Erde alle Nationen anwesend sind %u2013 T%u00fcrken, Portugiesen, Spanier, zur Mehrheit aber Schweizer und Italiener %u2013, zeigt sich an den Fahnenstangen. Und ganz sicher in den G%u00e4rten. Da sind Gem%u00fcse, Salate, Beeren, B%u00fcsche, auch mal ein Apfelbaum oder Aprikosen, sogar Soja, Tomaten und Zucchini. %u00abDie bauen sie an wie die Wilden%u00bb, lacht Felix Fust bewundernd. Er selbst hat einen %u00abkriegsalten%u00bb Bohnapfel, der bringt ihm, weil er ihn gut schneidet, ein Jahr viel, im anderen Jahr wenig. Pfirsich und Aprikosen tr%u00f6sten ihn dar%u00fcber hinweg. So ein Schrebergarten ist durchaus eine v%u00f6lkerverbindende gesellschaftliche Angelegenheit, soweit man das will. Eine Festh%u00fctte aber ist er nicht. Klar stellt man mal ein paar Tische zusammen oder besucht sich gegenseitig. Bier, Grill, Diskussion und Freundschaft. Zur Fronarbeit %u2013 etwa Wege ausbessern %u2013 trifft man sich freiwillig. Noch sind etliche Schreberg%u00e4rtner beruflich aktiv, sie nutzen und pflegen ihre Parzelle abseits aller Hektik indes zu jeder freien Stunde.Dunkle Schatten ziehen aufDie derzeitige Stimmung auf der %u00e4ltesten Familieng%u00e4rten-Kolonie weitherum ist traurig und resigniert. %u00abWahrscheinlich 2027 m%u00fcssen wir hier weg sein%u00bb, klagt Felix Fust. Die 200 Aren Schreberg%u00e4rten sollen zu Industrieland werden. Die Umzonung ist eingel%u00e4utet. Die Gemeinde Wohlen hat keine Alternative, kann oder will kein Ersatzareal anbieten. %u00abOrtsb%u00fcrger und Einwohner-%u2039Gmeind%u203a entscheiden, was hier geht%u00bb, sagt Ortsb%u00fcrger Felix Fust sarkastisch. Eine kleine leise Hoffnung aber hat er. Dass es doch einige Zeit %u2013 ein paar %u00abJ%u00e4hrli%u00bb %u2013 dauern k%u00f6nnte, bis zur Umzonung via Kanton und zu einer definitiven Baubewilligung. Und dass sie so etwas Zeit erhalten, bis sie ihren %u00abFamiliengartenVerein im Wil%u00bb endg%u00fcltig aufgeben m%u00fcssen. %u00abW%u00fcrde die Gemeinde dann jedem Schrebergarten-P%u00e4chter 200 Franken auf die Hand zahlen und die G%u00e4rten selbst abr%u00e4umen, m%u00fcssten wir das traurige %u2039Begr%u00e4bnis%u00bb wenigstens nicht selbst tun%u00bb, sinniert der %u00abPresidente%u00bb.Etwas kleiner: der Schrebergarten TurmstrasseAm anderen Rand von Wohlen, Waltenschwil zu, hat man solche Zukunfts%u00e4ngste nicht. Der Schrebergarten Turmstrasse geh%u00f6rt zur 1961 gegr%u00fcndeten Bau- und Siedlungsgenossenschaft B%u00fcnz. Die 108 Wohneinheiten wurden von 1966 bis 1974 in drei Etappen gebaut. Zur grossz%u00fcgigen Wohnsiedlung geh%u00f6ren auch Spiel- und Fussballpl%u00e4tze. Die eingez%u00e4unte Gartenanlage von 83,85 Aren Fl%u00e4che kam 1973 dazu, wie der Gartenverantwortliche Urs Schalch erz%u00e4hlt. 42 P%u00e4chter %u2013 zu 95% Schweizer %u2013 teilen sich die 38 Parzellen. Die gr%u00f6sste hat drei Aren, die kleinste misst 85 Quadratmeter. Pro Are und Jahr kostet das 35 Franken. Die Unterschiede zur Wilstrasse sind offensichtlich, das Regime ist hier etwas strenger. Das sieht man den G%u00e4rten auch an. Gut schweizerisch gepflegte H%u00e4uschen mit Chemin%u00e9e, Garten und Rasen, eines sogar mit sch%u00f6nem Biotop, sehr gepflegte und gej%u00e4tete gekieste Gehwege. Auch hier aber gilt: Es ist in erster Linie ein Gem%u00fcse- und Beerengarten. %u00abEtwas pingelig sind wir nur bei den Bauten%u00bb, h%u00e4lt Urs Schalch fest, %u00abeine weniger konsequente Linie erg%u00e4be Wildwuchs.%u00bb Der Schrebergarten Turmstrasse ist derzeit ausgebucht, es besteht eine lange Warteliste. --rtsNoch herrscht Zuversicht (v. l.): Felix Fust, Pasquale Baniara, Rino Zaccone, Mario Parente. Bilder: Hans RechsteinerGepflegte Idylle: Auf dem Areal der Siedlung B%u00fcnz stehen 38%u00a0Parzellen zur Verf%u00fcgung.